Rudelgucken!

Der Duden hat mich aufgeklärt. Public Viewing heisst auf gut Deutsch: „Rudelgucken“. Oder eleganter ausgedrückt: „Öffentliche Liveübertragung von Sportereignissen und anderen Events auf Videowänden.“

Doch was zieht die Fussballfans demnächst in Scharen ins alte Dorf von Saas-Grund? Wäre es zu Hause auf dem Sofa nicht gemütlicher, ungestörter und günstiger? Warum wollen die Menschen die Fussball-WM in der Masse erleben?

Psychologen haben eine einfache Erklärung: „Emotionen will man nicht alleine auf dem Sofa erleben.“ Klar, der Mensch ist auf Gemeinschaft angelegt. Miteinander Fiebern, Bangen, Hoffen, Leiden: Das geht nur mit andern zusammen. Gemeinsam Jubeln. Miteinander den Schiedsrichter kritisieren. In der Masse das eigene Team anfeuern. Das geht besser so. Macht mehr Spass.

Unbestritten, das schönste „Rudelgucken“ oder eben „Public Viewing“ findet in der Freien Ferienrepublik Saas-Fee statt. Auf der Naturbühne von Saas-Grund. Umgeben von Viertausendern. Inmitten historischer Häuser. Ausgestattet mit modernster Technik. Da wird die Fussball-WM zum absoluten Kick.

Klar, Fussball ist für manche Menschen sehr wichtig. Bei Männern ist das Phänomen übrigens noch ausgeprägter. Bill Shankly, der 1991 verstorbene Schottische Fussballstar und grosse Trainer von Liverpool  in den 60er und 70er Jahren meinte einst:

„Manche Leute halten Fussball für eine Sache von Leben und Tod. Ich kann Ihnen versichern, es ist sehr viel wichtiger.“

Als Verantwortlicher des grossartigen Public Viewing in Saas-Grund und Fussballfreund geht mir das aber schon zu weit. Bei aller Begeisterung für den Fussball: Es gibt im Leben Wichtigeres.

Ich freue mich über die gemeinsamen schönen Stunden beim „Rudelgucken“ im alten Dorf von Saas-Grund. Bin dankbar für gute Gespräche, emotionale Highlights und freundschaftliche Momente. Beim gemeinsamen Fussballschauen geht manche Bösartigkeit, Beleidigung, sogar Mobbingversuche, Schicksalsschläge und erst recht verlogene Politik vergessen. Die Stunden des Rudelguckens tun einfach gut.

Christoph Gysel