Dem Wandel auf der Spur

Selten ist man den Gletschern so nahe wie in der Saaser Bergwelt. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, schliesst sich am besten einem Bergführer für eine Tour auf dem Feegletscher an.

Der Schnee knirscht unter den Schneeschuhen. Von weitem ist man auf dem Feegletscher nur als kleiner Punkt in dieser riesigen weissen Fläche zu erkennen. Senkrecht ragen die steilen Wände der Eistürme empor. Sie schimmern blau.

Für das Leben im Saastal sind die Gletscher seit Jahrhunderten von grösster Bedeutung. Noch in den 1930er-Jahren hackten Schulkinder Stücke aus den Eisriesen, brachten sie in Weidenkörben ins Dorf und verkauften sie an die Hotels. Elektrizität und Kühlschränke verdrängten dieses Business nach und nach. Im Sommer stauten die Hirten das schmelzende Eiswasser und brachten es so auf die Weiden. Diese künstlichen Überschwemmungen liessen die Wiesen ergrünen; auch wegen der nährstoffreichen Sedimente im Wasser.

Ungebrochene Faszination
Im Winter kommen die Gletscher zur Ruhe. Kein Schmelzwasser, das von hier über Vispa und Rhone bis ins Mittelmeer fliesst. Meterhoch liegt der Schnee unter den Schneeschuhen. Wie der Energieriegel während der Gletschertour dient der Schnee dem Gletscher als Nahrung. Die Faszination für die Eiswelt bei Einheimischen und Gästen ist ungebrochen. Die Skipisten auf dem Feegletscher sind beinahe ganzjährig geöffnet. Für Schneesportprofis wird Saas-Fee dadurch im Sommer zu einem der wichtigsten Trainingsstützpunkte der Welt.

Zeugen des Klimawandels
Wir bewegen uns beim Gletschertrekking abseits von Pisten und dem Après-Ski-Trubel unten im Dorf. Die Geräuschkulisse beschränkt sich auf die Schritte der Gruppe und das eigene Atmen. Eine Oase der Ruhe am Fusse der Mischabelgruppe. Dennoch: Das Bergrestaurant Längfluh, wo uns später ein währschafter Walliserteller und ein kühles Glas Weisswein erwarten, liegt in Sichtweite.

Die Eisriesen sind mehr als nur ein beliebtes Fotosujet. Sie sind auch ein Indikator dafür, dass sich unsere Erde zunehmend erwärmt. In den 1860er-Jahren reichte der Feegletscher noch bis dort, wo heute die Talstation der Felskinnbahn steht. Seither verschwinden die Eismassen. Ein Prozess, der sich in den letzten Jahren weltweit beschleunigt hat. Das zeigen die Messungen der ETH Zürich aus den heissen Sommern 2017 und 2018: Innert weniger Wochen verloren die Schweizer Gletscher jeweils zwischen 2 und 3 Prozent ihrer verbleibenden Masse.

Wir setzen uns nach einer kurzen Rast wieder in Bewegung. Ein entferntes Donnern durchbricht die Stille. Eine Lawine hat sich in der Mittagssonne gelöst. Krachend stürzt sie die steilen Felswände des Täschhorns auf den Gletscher runter − Nahrung für den Gletscher während der kräftezerrenden Sommermonate.

Prägendes Erlebnis
Noch ist das Eis auf dem Feegletscher bis zu 80 Meter dick. Genau hier kann man die Kraft der Natur eindrücklich erleben. Bergführer bieten zu jeder Jahreszeit geführte Touren an. Ausgangspunkt für dieses Gletschertrekking ist die Bergstation Längfluh. In rund 20 Minuten gelangt man mit der Bahn bequem vom Dorf auf rund 2800 Meter über Meer. Nach wenigen Metern lässt man die präparierte Skipiste hinter sich. Mit Schneeschuhen führt die Tour über den von Spalten durchzogenen Gletscher. Viele dieser Spalten sind nur für das geschulte Auge zu erkennen und nicht selten über 20 Meter tief. Ohne ortskundigen Bergführer wäre diese Tour über den Gletscher zu gefährlich.

Ein langes Bergseil verbindet die Mitglieder der Gruppe über die Klettergurte mit dem Bergführer. Als bunte Perlenkette erkennen wir uns später zu Hause auf den Bildern der Längfluh-Webcam wieder. Durch den Support und die Erfahrung der Bergführer ist diese Tour auf dem Feegletscher auch für Menschen ohne jegliche Bergerfahrung geeignet. Eine Portion Kondition sollte man für die rund zweistündige Tour schon mitbringen. Der Gletscher ist ständig in Bewegung. Das Eis fliesst langsam, aber stetig in Richtung Tal. Durch die Reibung am felsigen Untergrund brechen mächtige Spalten auf und haushohe Eistürme entstehen. Selten fühlt man sich so klein wie im Angesicht dieser bizarren Eiswelt. Eine Tour auf dem Feegletscher ist ein Erlebnis, das prägt.

Bilder: Puzzle Media