Carpe diem mit dem WanderFritz

Fritz Hegi wandert seit 15 Jahren durch die Schweiz. Seit sechs Jahren ist er als WanderFritz bekannt, vier Wanderbücher hat er schon veröffentlicht. Im Gespräch wird klar: Wandern ist nur ein kleiner Teil einer grossen Lebensphilosophie.

Geboren wurde der WanderFritz im Suppentopf in Bern. Sechsmal im Jahr lädt nämlich Journalist und «Mr. Glückskette», Roland Jeanneret, Freunde und ehemalige Arbeitskollegen zum Abendessen zu sich nach Hause ein, serviert wird Suppe. Und um diese Suppentöpfe scharen sich jeweils illustre Vertreter aus der schweizerischen Medienwelt. An einem Abend im Jahr 2010 waren das unter anderem Peter Meier von Coop-Presse und ein pensionierter Elektroingenieur aus Bern namens Fritz Hegi. Meier fragte den passionierten Wanderer Hegi, ob er ein Buch für Genusswanderer schreiben wolle, dieser willigte nach einigem Zögern ein. Ein Bestseller erscheint. Ein paar Jahre später – wieder beim Suppentopf – trifft Fritz Hegi den Weltbild-Verleger Lukas Heim, man plant ein weiteres Wanderbuch. Diesmal unter dem Pseudonym WanderFritz, der zweite Bestseller.

Aber gewandert ist Fritz Hegi schon lange, bevor er zum WanderFritz wurde. 2003 las er das Buch «52 Wanderungen» von Franz Hohler. Ein Jahr lang hat Hohler jede Woche eine Wanderung gemacht und all seine Erlebnisse aufgeschrieben – auch geschichtliche Aspekte, Interessantes zu Architektur und Kulturellem. Fritz war fasziniert und entschied: Das mache ich auch. Eine eigene Homepage hatte er schon immer, dort hatte er seine privaten Wanderungen aufgeschaltet. Erst wanderte nur er, dann kam ein Freund dazu, dann ein weiterer, bald war man zu zehnt und mehr. Ein Jahr später ist Fritz wöchentlich – ohne Ausnahme – unterwegs mit seinem Grüppli. Meistens sind das rund zehn Personen, in Ausnahmefällen über zwanzig. Erweitern will er das Grüppli momentan nicht, zu gross soll das Ganze nicht werden. Zur ersten WanderFritz-Buchveröffentlichung sicherte er sich auch die Webseite WanderFritz.ch, dort gibt es mittlerweile einen internen Bereich mit Log-in.

Fritz plant die Wanderungen bis zu fünf Wochen im Voraus, mit einer Anmeldefrist. Über 800 Wanderungen hat er schon mit dem Grüppli unternommen. Meistens in der Schweiz, auch schon im Schwarzwald oder Südtirol. Gewandert wird immer, bei jedem Wetter. Ein bisschen Regen stört ja nicht. «Die verregneten Wanderungen sind mit Abstand am lustigsten!», lacht Fritz. Zum Interview ist er extra aus Bern nach Saas-Fee gereist. Er wirkt jung, voller Energie, gleichzeitig scheint ihn nichts aus der Ruhe bringen zu können. «Über die ‹Verschifften› sprechen wir noch Jahre», amüsiert er sich. Nur wenn es gefährlich wird, etwa wenn schwere Gewitter angesagt sind, sagt er eine Wanderung ab – obschon das fast nie passiert. Er plant eher noch kurzerhand die Route um. Überhaupt gibt es für ihn keine «beste Wanderzeit» – jede Jahreszeit hat gutes Wanderwetter, man muss einfach die Routen entsprechend planen.

Dafür hat Fritz die richtigen Tools. Auf Schweizmobil schustert er seine Touren zusammen. Immer schwieriger werde das – wegen des Beizensterbens, erklärt er. Die Kriterien für seine Planung sind nämlich: gute ÖV-Verbindungen, ein geeigneter Wanderweg (nicht zu viel Höhendifferenz, nicht mehr als vier Stunden) und dann eine Beiz. Denn Fritz und sein Grüppli sind Genusswanderer. Nicht zu anstrengend, nicht zu schnell – man muss ja nichts mehr beweisen. Gestartet wird immer mit Kaffee und Gipfeli. Und immer kehrt man ein in eine Beiz, wenn man denn eine findet. Wandern ist mehr als gehen, sagt er. Wandern ist gut für Geist und Seele. Und immer geht es dabei um Geschichte und Kultur, Menschen und Begegnungen. Das Wandern hält ihn in Bewegung − körperlich wie geistig.

Alle Bilder vom WanderFritz wurden in Furggstalden, Saas-Almagell, aufgenommen.

Wenn er nicht wandert, führt er Besucher. Durch die Energiezentrale in Bern. Ein Drittel der Stromversorgung der Stadt Bern wird dort mit den Energieträgern Kehricht, Holz und Erdgas bereitgestellt, weiss er. «Das mache ich wirklich gern!», strahlt er. Professioneller Führer ist er nämlich seit 2002. Bei der Schweizerischen Landesausstellung, die Expo, hat er über ein halbes Jahr lang täglich, manchmal sogar mehrfach, Besucherführungen betreut. Ein tolles Erlebnis, wie Fritz findet. «Ganz junge Menschen waren da, Studenten – und wir alten. Richtig super, der Austausch, unkompliziert. Und so viel haben wir voneinander gelernt!», freut er sich. Generell ruht er sich nicht auf Weisheiten aus. Er will auch abseits des Wanderwegs in Bewegung bleiben. Darum verlässt er sich nicht auf Mainstream-Medien, sondern tummelt sich auf Youtube und Kenfm, hört auch mal beim russischen Radio rein. Nur wer sich andere Sichtweisen holt, vermeintlich Gesichertes hinterfragt, kann sich eine eigene Meinung bilden, findet er. Darum liest er so viel und gern. Und wenn er das nicht tut, holt er Jazzmusiker am Flughafen ab. Für das Internationale Jazzfestival in Bern. Auch das gefällt ihm, dann kann er nämlich auch wieder mal Englisch sprechen mit den amerikanischen Musikern, die auch unkompliziert sind.

«Ich geniesse einfach jeden Moment. Es
gibt ja keinen anderen.»

Weiterwandern will er, bis er keine Freude mehr daran hat. Grosse Pläne macht er nicht – es kommt sowieso anders. «Ich geniesse einfach jeden Moment. Es gibt ja keinen anderen», sagt er. «Memento mori!», schiebt er nach. Wenn man das verstanden habe, dann geniesse man auch das Leben mehr. In der Gegenwart müsse man leben. Besitz interessiert ihn nicht, er hat kein Auto und nennt auch kein Haus oder keine Wohnung sein Eigen. Er wandert lieber, sammelt Momente und Erfahrungen, lebt jeden Tag im Jetzt und geniesst. Da hat er mehr davon.

«Wandern ist mehr als gehen.»