Die Gipfelstürmerin

Ob die Mischabelkette, die Weissmiesgruppe, die Felsnadeln im Mont- Blanc-Massiv oder die Dufourspitze: Maggi Voide-Bumann bestieg als erste Alpinistin alle 82 Viertausender der Alpen.

Für sie ist es das Grösste: die Freiheit zu spüren, an die Grenzen zu gehen, den Körper herauszufordern und die eigene Willenskraft zu erfahren. Maggi Voide-Bumann hatte es sich nie zum Ziel gesetzt, sämtliche Viertausender der Alpen zu besteigen, doch plötzlich war es Tatsache. Als erste Frau hat die gebürtige Saas-Feerin jeden Viertausender-Gipfel der Alpen erreicht. Um Leistung oder Anerkennung ging es ihr dabei nicht:
«Für einen Viertausender muss man seinen Körper unter Kontrolle haben und kämpfen. Aber wenn du dann auf dem Gipfel stehst, wird der Kampf oder, wie wir in der Region sagen, der ‹Chrampf› durch ein unbeschreibliches Freiheitsgefühl entschädigt: die Weite, die Natur und die Stille. Das ist jedes Mal aufs Neue einzigartig», erzählt sie. Nach der offiziellen Liste des Clubs 4000 hat noch keine Frau vor Maggi Voide-Bumann alle 82 Viertausender der Alpen bestiegen, und auch nach ihr haben es nur wenige andere Bergsteigerinnen geschafft.

Die Liebe zu den Bergen
Das Bergsteigen wurde Maggi Voide-Bumann in die Wiege gelegt. «Mit 13 Jahren stand ich zusammen mit meinem Onkel und Bergführer Xaver Bumann auf dem ersten Viertausender, dem Allalin.» Die Leidenschaft fürs Bergsteigen hat Maggi Voide-Bumann dann mit ihrem Ehemann Léonce entdeckt und zusammen mit ihm und einem Bergführer alle 48 Viertausender der Schweiz bestiegen. Anschliessend konnte sie noch die restlichen 34 Gipfel der Alpen rund um Chamonix mit ihrem Sohn und Bergführer Gabriel erklimmen. Somit stand sie auf allen 82 Viertausendern der Alpen. «Die Faszination für die Berge liegt auf der Hand, wenn du in Saas-Fee aufwächst und jeden Morgen die gewaltigen Berge wie den Alphubel, den Dom oder den Südlenz siehst.» Die meisten Hochtouren hat die 65-Jährige zusammen mit ihrem Sohn Gabriel in Angriff genommen, ab und zu war sogar die ganze Familie am Berg. Die schönsten Berge sind für Maggi Voide-Bumann die «Hausberge», die Viertausender der Mischabelkette und das Weissmies, ihr Lieblingsberg. «Diesen Berg habe ich von allen drei Seiten bestiegen, und die Aussicht auf die Mischabelkette ist gewaltig.» In besonderer Erinnerung bleiben der Pensionärin der Rochefortgrat mit den Grandes Jorasses oder die Aiguilles du Diable. Diese Routen im Bergmassiv des Mont Blanc waren dann auch die schwierigsten für die passionierte Bergsteigerin.

Das Bergsteigen wurde Maggi Voide-Bumann in die Wiege gelegt. Mit 13 Jahren stand sie mit ihrem Onkel und Bergführer Xaver Bumann auf dem ersten Viertausender, dem Allalin.

Ein Wechselbad der Gefühle
Im August 2008 ist Maggi Voide-Bumann zusammen mit Sohn Gabriel zur letzten, technisch schwierigen Tour aufgebrochen. Die Krönungstour erreichte am 10. August ihren Höhepunkt mit der Besteigung der fünf Felsnadeln der Aiguilles du Diable. «Der Anblick zurück auf diesen zackigen und spitzen Grat war gewaltig, mir blieb der Atem weg, und meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich hatte an diesem Morgen vor dem Aufbruch ein mulmiges Gefühl und fast ein bisschen Angst. Dann packte ich allen Mut zusammen und stand einige Stunden später auf der ersten, zweiten, dritten, vierten und schliesslich fünften Nadel, der L’Isolée», erinnert sich die Alpinistin.

«Aber wenn du dann auf dem Gipfel stehst, wird der Kampf oder, wie wir in der Region sagen, der ‹Chrampf› durch ein unbeschreibliches Freiheitsgefühl entschädigt. Die Weite, die Natur und die Stille. Das ist jedes Mal aufs Neue einzigartig.»

Maggi Voide-Bumann
Die schönsten Berge sind für Maggi Voide-Bumann die «Hausberge», die Viertausender
der Mischabelkette und das Weissmies, ihr Lieblingsberg.

Träume werden wahr
Ein langjähriger Traum ging für die Bergsteigerin im Sommer 2012 in Erfüllung, als sie mit ihrem Sohn die Mischabelkette überquerte. «Die Route führte vom Mittelallalin zum Feejoch weiter über den Alphubel bis zum Mischabelbiwak. Dort haben wir uns einquartiert und starteten um 1:30 Uhr in der Nacht die herausfordernde Tour auf das Täschhorn, den Dom, die Lenzspitze und schliesslich das Nadelhorn», erzählt die Saas-Feerin während unseres Interviews auf ihrer Terrasse mit Blick auf die mächtigen Berge. «Am Nachmittag um 15:00 Uhr erreichten wir überglücklich die Mischabelhütte und wanderten dann zufrieden nach Hause, nach Saas-Fee.» Heute ist Maggi Voide-Bumann ruhiger, und solche Abenteuer gehören der Vergangenheit an. «In der Natur bin ich aber nach wie vor zu Hause. Gemütlichere, aber auch anspruchsvollere Wanderungen unternehme ich zusammen mit meinem Mann Léonce immer wieder gerne.»

«Die Faszination für die Berge liegt auf der Hand, wenn du in Saas-Fee aufwächst und jeden Morgen die gewaltigen Berge wie den Alphubel, den Dom oder den Südlenz siehst.»

Maggi Voide-Bumann